12. Januar 2021
Die Rechnung der Corona-Pandemie geht nicht auf, wenn die Politik Zukunftsfragen weiter aufschiebt. Ein Sozialstaat, der allein mit kurzfristigen Instrumenten auf Krisen reagiert, bedient gesellschaftliche Verteilungskämpfe und schwächt am Ende die Demokratie. Zeit mehr Beteiligung zu wagen und eine breite Debatte über Zukunftsmodelle für einen neuen Gesellschaftsvertrag zu führen – wie über die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens.
Mehr als 2 Millionen Bewerber*innen lesen heute „Grundeinkommen“ in ihrem Postfach. Etwas über 20.000 davon freuen sich über die Aufnahme in die engere Auswahl für die Langzeitstudie vom Pilotprojekt Grundeinkommen, 122 Menschen erhalten am Ende des Prozesses wirklich ein Grundeinkommen.
Für die Akzeptanz der Debatte ist das ein weiterer großer Meilenstein für das Hervorbringen eines neuen Gesellschaftsvertrags. Die Reise muss aber noch viel weiter und Forderungen an die Politik noch lauter werden.
Das liegt auch daran, dass sich Parteien und Parlamente weiter vornehm zurückhalten, Grundeinkommen in Modellversuchen selbst zu erforschen und die Verantwortung dafür lieber an private Vereine abtreten. Das sagt viel über einen Staat aus, der sich den großen Fragen der Zeit nach wie vor zu selten stellt.
Besonders in Zeiten der Krise und des disruptiven Wandels in der Arbeitswelt ist es überfällig, weiterzudenken. Als Staat und Demokratie tragen wir die Verantwortung für eine sozial gerechte und nachhaltige Gestaltung der Zukunft, soziale Innovationen sollten nicht länger hinter der Symptombekämpfung zur Bewältigung von Krisen zurückzustehen.
Das liegt auch daran, dass die politische Debatte zu Zukunftsmodellen des Sozialstaats in Deutschland sich noch nicht wirklich etabliert hat. In den USA taugt das Grundeinkommen längst für den Präsidentschaftswahlkampf. Doch auch in Europa befürworten nach einer neuen Umfrage der Universität Oxford mehr als 70% der Befragten die Idee des Grundeinkommens. Das zeigt: Grundeinkommen ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen und stellt die richtigen Fragen zur richtigen Zeit.
Deutschland sollte dieser Entwicklung nicht weiter hinterherlaufen, sich nicht länger aus der Verantwortung stehlen und die Vorarbeit sozialer Zukunftsmodelle privaten Vereinen überlassen.
Eine breite und faktenbasierte Debatte wird aber nur gelingen, wenn wir die Möglichkeiten demokratischer Beteiligung als Stärke begreifen. Ideen zu Zukunftsfragen des Sozialstaats dürfen nicht länger Privatsache sein. Machen wir uns auf den Weg zu einem neuen Gesellschaftsvertrag und wagen wir mehr Beteiligung für eine starke und resiliente Demokratie. Es ist die richtige Zeit.
Foto: Markus Spiske (Unsplash)