6. April 2022
Mit Götz Werner ist ein Visionär und mutiger Vordenker fürs bedingungslose Grundeinkommen gegangen. Mich persönlich hat er dazu inspiriert, ganz neu über mein Menschenbild nachzudenken. Unzählige weitere Menschen setzen sich in seinem Spirit für eine neue Lebens- und Wirtschaftsweise und einen besseren Gesellschaftsvertrag ein. Warum Götz Werner fehlen wird.
Es muss 2012 oder 2013 gewesen sein, kurz nach dem Ende meines Studiums, als ich zum ersten Mal von der Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) gehört habe. Ich las irgendwo darüber, dass die Piraten in ihrem Programm forderten, allen Menschen unabhängig vom Erwerbsstatus die Existenz abzusichern. Würde ich behaupten, dass bei mir alle Alarmglocken schrillten, wäre das eine dreiste Übertreibung: Ich nahm die Idee der Bedingungslosigkeit schlicht und ergreifend nicht ernst. Hoffnungslose Träumerei, so dachte ich.
Im BWL-Studium hatte ich neben aufwändigen Matrizenberechnungen und Kurvendiskussionen auch noch gelernt, dass Menschen nur dann arbeiten, wenn sie dazu gezwungen werden. Ohne Frage war das damals, in der zweiten Hälfte der 00er, der Zeitgeist, zwischen sogenannter “Massenarbeitslosigkeit” und Hartz IV-Reformen, Finanzkrise und dem beginnenden Wirtschaftswunder im darauffolgenden Jahrzehnt.
Doch schon damals gab es längst einen Vordenker – aus der Wirtschaft! –, der sich nicht davon abbringen ließ, seine Vision einer anderen Perspektive auf den Menschen unter die Leute zu bringen. Sich vom Modell des sagenumwobenen homo oeconomicus zu lösen, der so oft als Phantom durch meine Vorlesungen und Seminare gegeistert ist, der Vorstellung eines Menschen, der nur ein einziges Ziel verfolgt: seinen Nutzen zu maximieren, oder übersetzt: so viel Geld anzuhäufen wie nur irgend möglich.
Mir begegnete Götz Werner erst ein paar Jahre später, als ich von Mein Grundeinkommen hörte und anfing, mich ernsthaft mit der Idee des BGE zu beschäftigen. Er saß in einer Talkshow, vor Menschen mit offenen Mündern, und erklärte, dass Bezahlung nicht das Ergebnis von Arbeit sei, sondern deren Voraussetzung. Alle Einwände gegen ein BGE, die ich mir zuvor teils selbst zu eigen gemacht hatte – Menschen werden faul! Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen!
Wer holt denn dann noch den Müll ab! Das ist unfinanzierbar! –, konnte er mit wenigen klaren Aussagen entkräften. Für mich war das einer der Momente im Leben, in denen ich die Welt plötzlich mit anderen Augen gesehen habe.
Und genau das zählt neben vielem Anderen zu Götz Werners Vermächtnis: Er war ein Vordenker, ein Visionär, ein Vorbild in dem Sinn, dass er die Menschen dazu inspiriert, anders zu denken, menschlicher zu handeln, sich das aus heutiger Sicht Undenkbare vorzustellen. Mit unzähligen Auftritten, Interviews, Büchern, Beiträgen und nicht zuletzt mit der Förderung des FRIBIS (Freiburg Institute for Basic Income Studies) ist Götz Werner unermüdlich nicht nur für die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens eingetreten. Er hat auch für ein zutiefst humanistisches Menschenbild geworben, für die Fantasie, selbst zu denken, und den Mut, selbst zu handeln.
In einer Welt, die oft von Fantasiearmut, Mutlosigkeit und Bedenkenträgerei geprägt ist, war er damit ein echter Lichtblick. Er inspiriert mich wie zahllose andere Menschen nicht nur dazu, mich trotz vieler Widerstände und Rückschläge für ein bedingungsloses Grundeinkommen einzusetzen, sondern vor allem fundamental anders zu denken und mir eine bessere Welt ernsthaft vorzustellen. Oder wie Götz Werner selbst sagen würde: „Wer etwas will, der findet Wege. Wer etwas nicht will, der findet Gründe.“
Mark aus dem Berliner Büro der Expedition Grundeinkommen
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