7. Mai 2021
Der 9. Mai ist ein Feiertag, an dem wir uns die großartige Europäische Idee immer wieder in Erinnerung rufen. Dazu zählt auch das Nachdenken über neue Grundrechte für Europa – und über ein Grundeinkommen auf europäischer Ebene.
Am Europatag 2021 feiern wir mehr als nur den 71. Jahrestag der Schuman-Erklärung. Seit diesem Abkommen vom 9. Mai 1950 haben Generationen von Politiker*innen, Bürgerrechtler*innen und anderen engagierten Menschen Baustein für Baustein an der Idee eines gemeinsamen Europa gebaut, eines vielfältigen, sicheren und starken Europa – über Zwischenschritte wie die deutsch-französische Freundschaft, die Entspannungspolitik, die deutsche Wiedervereinigung, die Formierung der EU oder die Einführung des Euro.
Wir waren der Realität eines starken Europa in den 00er Jahren schon sehr nahe. Aber wir mussten erkennen, dass sie – ganz ähnlich wie die Demokratie an sich – keine selbstverständliche, sondern eine zerbrechliche Idee ist. Eine Idee, die wir jeden Tag durch unser Handeln aufs Neue zum Leben erwecken müssen, weil sie sonst schnell in sich zusammenstürzen kann.
Die Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2008, die Eurokrise in den frühen 2010er Jahren, der Brexit, die wachsende Europafeindlichkeit und der Umgang Europas mit flüchtenden Menschen im abgelaufenen Jahrzehnt: All diese Ereignisse haben uns schmerzlich bewusst gemacht, wie fragil Europa noch immer ist, sie haben Schlaglichter auf die strukturellen Schwächen der Europäischen Union geworfen – und sie haben Gegenbewegungen ausgelöst wie Pulse of Europe, die (wenn auch knappe) Wahl eines Pro-Europäers wie Emmanuel Macron oder die Gründung der paneuropäischen Bewegung und Partei Volt.
Der Schriftsteller Ferdinand von Schirach hat nun ganz im Geist der Pro-Europäer*innen sechs Grundrechte für Europa vorgeschlagen, und ich bin ihm dafür dankbar. Wenn es nach mir ginge, würden wir allerdings ein weiteres Grundrecht hinzufügen: das Grundrecht auf ein menschenwürdiges bedingungsloses Grundeinkommen in ganz Europa.
Das ist auch der Grund, warum die Europäische Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen mein Herz höher schlagen lässt: Wir müssen die politischen Visionen von morgen immer auch für Europa mitdenken! Parallel zu den vielen Vorstößen zum Grundeinkommen auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene ist es nur folgerichtig, dass die EBI die EU-Kommission dazu auffordern möchte, Vorschläge für ein EU-weites bedingungsloses Grundeinkommen zu machen.
Um diesen Schritt allerdings Realität werden zu lassen, sind nun wieder die Europäer*innen selbst gefragt: Für einen Erfolg der Initiative müssen bis zum 25. März 2022 mindestens eine Million EU-Bürger*innen die Initiative unterschrieben haben und zugleich mindestens sieben der 27 EU-Länder ihre jeweilige Mindestzahl an Unterzeichner*innen erreichen. Dann ist es an EU-Kommission und EU-Parlament, sich zum Grundeinkommen zu positionieren. Also: Liebe Europäer*innen, wenn Ihr Euch fürs Grundeinkommen stark machen wollt, unterstützt die Initiative hier mit Eurer Unterschrift!
Und wenn wir schon dabei sind, erlaube ich mir, noch einen weiteren Traum zu träumen: 2030 sprechen wir hoffentlich nicht mehr von neuen Grundrechten oder einem Grundeinkommen für Deutschland oder Europa – sondern wir diskutieren über neue Grundrechte oder ein Grundeinkommen für alle Menschen dieser Erde.
Aber eines nach dem anderen.
Foto: Son Tung Tran I Pexels