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Direkte Demokratie darf keine Pause einlegen

24. Februar 2021

Die Menschen in Deutschland wollen sich einbringen und die Politik von morgen mitgestalten. Höchste Zeit, jetzt neue Wege zur Beteiligung der Bürger*innen zu gehen.

Vor einem Jahr waren „Home Office“ oder „Zoom Call“ Fremdwörter für manche Menschen, inzwischen sind sie aus dem Arbeitsalltag nicht mehr wegzudenken. Wieso übertragen wir diese Lernkurve nicht auf die Instrumente der direkten Demokratie in Deutschland? Eine Offensive zur Digitalisierung der Bürger*innenbeteiligung ist längst überfällig. Dass es geht, zeigen Länder wie Island oder Taiwan, die uns mit Plattformen wie Better Reykjavík oder vTaiwan längst Meilen voraus sind.

Auch die Bürger*innen in Deutschland wollen sich beteiligen und selbst mitgestalten: Das beweisen die zahlreichen großen Bewegungen und Petitionen zu Zukunftsthemen wie dem Klimawandel oder die losbasierten Bürgergremien, die die Landesregierungen von Baden-Württemberg und Thüringen in Fragen der Corona-Pandemie beraten. 

Gerade zum Thema Grundeinkommen engagieren sich die Bürger*innen in vielen Bewegungen und Netzwerken. Wie sehr das Ausprobieren von Grundeinkommen die Menschen interessiert, haben wir selbst zum Beispiel im Oktober bei unserer Volksinitiative „Berlin soll Grundeinkommen testen!“ beobachtet: Noch am letzten Sammelwochenende, kurz vor der erneuten Verschärfung der Kontaktbeschränkungen, haben uns mehr als 10.000 Menschen ihre Unterschrift gegeben.

Trotz des Teil-Lockdowns, auch wenn Schulen und Kitas nicht öffnen dürfen, wenn Einzelhändler, Restaurants und Hotels über Monate schließen müssen, wenn das öffentliche Leben im Wesentlichen still steht und die Menschen viele Sorgen haben, auch dann gilt noch: Deutschland ist in Bewegung, vielleicht so sehr wie lange nicht. Trotz oder vielleicht gerade wegen Corona wächst der Hunger auf Zukunft.

Jetzt ist die Zeit für kreative Wege der Bürger*innenbeteiligung 

Die aktuellen Möglichkeiten demokratischer Beteiligung passen trotz erster positiver Vorstöße der Politik noch nicht so richtig zu dieser neuen Lust aufs Mitmachen. Initiator*innen von Bürger- und Volksentscheiden stehen 2021 etwa vor ähnlichen Problemen wie kleine Parteien, die zu Parlamentswahlen zugelassen werden wollen: Das Sammeln analoger Unterschriften ist nahezu unmöglich in Zeiten harter Kontaktbeschränkungen, was manche Initiativen im Keim zu ersticken droht.

Doch gerade in Zeiten der Pandemie darf die direkte Demokratie keine Pause einlegen. Mit unserer Kampagne „Bring das Grundeinkommen an den Staat!“ gehen wir daher einen neuen Weg: Über Deutschlands Städte und Gemeinden initiieren wir den bisher größten staatlich finanzierten Modellversuch zum Grundeinkommen – aus der Bevölkerung heraus, über möglichst parallele Bürgerbegehren und -entscheide in vielen Städten und Gemeinden, organisiert von lokalen Teams aus Freiwilligen, mit ko-kreativen Bürgerbeteiligungsverfahren zur Ausgestaltung des Modellversuchs. 

Denn wir glauben: Die vermeintlich „kleinste“ Einheit der Demokratie ist der ideale Ort, um die großen Zukunftsfragen zu bearbeiten. Wenn unser Modellversuch kommt, ist auf demokratischem Weg die erste politische Entscheidung zum Grundeinkommen gefällt worden.

Krisen erfordern neue Antworten, doch oftmals fördern sie nur deutlicher zutage, was schon lange hätte angepackt werden müssen. Sie sind die richtige Gelegenheit, um über soziale Innovationen für einen neuen Gesellschaftsvertrag nachzudenken. Könnte ein Grundeinkommen zu diesen zukunftsweisenden Antworten gehören? Gemeinsam finden wir es heraus.