2. Juni 2022
Nicole Battefeld ist mehrmalige German Barista Champion und Barista aus Berlin. Saskia aus dem Team der Expedition Grundeinkommen hat mit ihr darüber gesprochen, wie ein Grundeinkommen das Leben von Frauen verbessern könnte, wie sich die Gastronomie dadurch verändern würde und warum Berlin der perfekte Ort für einen Modellversuch ist.
Zunächst ist es schwer zu verstehen, dass Gleichberechtigung bei der Bezahlung in einem wohlhabenden Land wie Deutschland immer noch in weiter Ferne liegt. Und in diesem Zusammenhang müssen wir auch über unbezahlte Care-Arbeit sprechen: Viele Frauen schmeißen auch heute den Haushalt, versorgen die Kinder, pflegen die Eltern – und das alles ganz selbstverständlich. Hier hat sich zwar mit Blick auf die Gleichberechtigung in den letzten Jahren schon einiges getan, aber lange nicht genug. Männer verdienen im Schnitt einfach immer noch mehr für gleiche Leistung – und haben deshalb am Ende auch deutlich mehr Rente.
Ja. Im Ergebnis führt der aktuelle Zustand für viele aufopferungsvolle Mütter zu Altersarmut – mal ganz abgesehen von der finanziellen Abhängigkeit vom Partner. Es wird in der Öffentlichkeit fast nie besprochen, wie viele Frauen es sich schlichtweg finanziell nicht leisten können, sich von ihrem Partner zu trennen. Psychische Krankheiten, Gewalt gegen Frauen in der Beziehung und Aufgabe der eigenen Träume und Ziele werden abgetan – und die Antwort, die dann manchmal kommt, lautet: Deiner Mutter oder Großmutter ging es ähnlich und die hat sich auch nicht beschwert.
Ein Grundeinkommen ergibt daher großen Sinn: Auch Menschen, die zum Beispiel ausschließlich unbezahlte Care-Arbeit leisten, müssten keine Angst mehr um die eigene Existenz haben. Im Ergebnis würde das für Frauen bedeuten: Weniger Abhängigkeit, mehr Emanzipation, mehr Möglichkeiten, wieder in die Arbeitswelt zurückzukehren – und somit für Deutschland auch mehr arbeitende Menschen.
Barista Nicole Battefeld liebt Kaffee und brennt fürs Grundeinkommen
Es ist immer noch schwer, sich als Frau selbständig zu machen – mal ganz abgesehen davon, dass zum Beispiel der “Job” als Mutter gar nicht als der “Vollzeitjob” anerkannt wird, der er ist. Und es halten sich bis heute Vorurteile, wenn es um Liquidität und Kreditwürdigkeit geht. Frauen dürfen immerhin erst seit den 1960er Jahren alleine ohne die Unterschrift ihrer Ehemänner einen Kredit aufnehmen. Ein bedingungsloses Grundeinkommen kann hier ein gleiches Spielfeld für jedes Geschlecht schaffen. Eine Selbstständigkeit wird dadurch nicht einfacher, aber die Rahmenbestimmungen wären sicher günstiger.
Ich habe dazu eine ganz klare Haltung: Gastronomie ist nur schlecht, wenn die Mitarbeitenden sich nicht für den Job interessieren, wenn sie ihn nur wegen des Geldes machen. So viele passionierte Barista geben alles auf für diesen Beruf. Specialty Coffee ist eine Branche voller Quereinsteiger. Diese Passion ist Teil meines Lebens und ich liebe meinen Beruf, auch wenn er nicht so gut bezahlt wird.
Schwierig wird es dann, wenn man mit Menschen zusammenarbeiten muss, die sich überhaupt nicht für diesen Job interessieren. Das killt die Leidenschaft für den Beruf, weshalb viele talentierte Barista die Branche wieder verlassen – eine Spirale, die immer schlechteren Service nach sich zieht.
Wenn Menschen ein gesichertes Grundeinkommen haben, könnte sich die Haltung zur Arbeit generell verändern. Barista müssen nicht mehr bangen, ob sie die Miete bezahlen können. Sie haben den Kopf frei für besseren Service. Diese Passion steckt an! Viele Menschen wünschen sich einen Job in der Gastronomie, haben aber vor dem geringen Gehalt Angst.
In Berlin finden sich so viele ethnische und soziale Hintergründe wie in fast keiner anderen deutschen Stadt. Würde der Versuch in Berlin gelingen, wäre das ein guter Ansatz oder Anstoß für ein bundesweites Projekt. Die Bevölkerung ist hier sehr jung und divers, auch von Bezirk zu Bezirk. Das könnte viele spannende Fragen beantworten helfen: Was funktioniert? Was kann verbessert werden? All diese Dinge können in Berlin auf relativ kleinem Raum erforscht werden.
Mein eigenes Leben würde sich stark verändern. Ich bin 34 und habe keine Kinder, auch aus Angst vor der finanziellen Belastung. Vielleicht würde ich mit einem bedingungslosen Grundeinkommen anders darüber denken.
Ich bin mir auch sicher, dass viele meiner jungen Barista-Kolleg:innen mit einem BGE ihre Jobs behalten würden. Ich bin momentan wie ein Dinosaurier in der Branche, da viele meiner ehemaligen Kolleg:innen einfach zu schlecht bezahlt werden und die Branche wechseln, obwohl ihnen der Job Spaß macht. Das heißt: Ich denke, mit einem Grundeinkommen würden mehr Menschen in der Gastro-Szene arbeiten, die heute stark angeschlagen ist.
An einem Modellprojekt zum BGE würde mich interessieren, ob es einen Effekt auf die Bildungsstruktur der Jugend hat. Mit mehr Geld können außerschulische Aktivitäten finanziert werden, zum Beispiel Musikunterricht, Sportclubs, Kunst- oder Theatervereine. Ich denke, am meisten würden die Kinder der Eltern profitieren, die sich derartige Dinge zurzeit einfach nicht leisten können. Und natürlich fände ich spannend, wie sich unsere Arbeitswelt verändert und welchen Einfluss ein Grundeinkommen auf die psychische Gesundheit der Menschen hat.